GmbH-Insolvenz: Wann begeht ein Geschäftsführer Insolvenzverschleppung?
Ich selbst absolviere meine Fahrten zu Gericht, wann immer möglich, mit einem Produkt einer „Pleitefirma“ und fühle mich sehr wohl damit, denn immerhin leistet dieses Fortbewegungsmittel seit Ende der 1980er-Jahre treue Dienste. Wenn Sie nun denken, dass ich ein Auto der schwedischen Marke Saab fahre, finde ich dies sehr rührend, aber der Fall liegt anders. Es handelt sich um ein deutsche Produkt der Marke Kettler. Wer kennt sie nicht:
Mit dem Produkt des Kettcars und vielen anderen hat sich Kettler einen Namen gemacht. Das obige Gefährt konnte ich auch mal in den 70ern mein eigen nennen, nun fahre ich bei gutem Wetter mit einem sehr schönen – wenn auch in die Jahre gekommenen – Fahrrad eben dieser insolventen Marke zu meinen Gerichtsterminen.
Da fragt man sich doch, wie kann eine Marke die seit 1949 besteht und mehr als 1.000 Mitarbeiter hat, pleite gehen und was versteht man unter einer Insolvenz, denn immerhin ist das Unternehmen nach seinem Insolvenzantrag im Juni 2015 aktuell noch immer am Markt präsent, verkauft seine Produkte weiter und kein Ende ist in Sicht.
Es handelt sich bei der Thematik der Insolvenzverschleppung einer GmbH um ein vielschichtiges Thema – also steigen wir gleich in die Materie ein, um für Klarheit zu sorgen, denn nur ein gut informierter (d.h. meist ein gut beratener) Geschäftsführer kann die richtige Entscheidung treffen; dies kann entweder die Stellung eines Eigenantrags auf Eröffung eines Insolvenzverfahrens sein – dessen Tragik meist überschätzt wird, wenn er rechtzeitig gestellt wird (!) – oder eben die Fortführung des Business ohne Einschaltung eines Insolvenzverwalters sein.
Hier also die Fakten als Entscheidungsgrundlage:
Was ist überhaupt eine Insolvenzverschleppung?
Um diese Frage zu beantworten muss zuerst dargelegt werden, wie der Begriff der Insolvenz zu verstehen ist. Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort „solvere“ ab – zahlen. Wer also „insolvent“ ist, kann nicht zahlen und ist nicht im Stande, seine Verpflichtungen gegenüber Gläubigern zu erfüllen. Dementsprechend liegt eine Insolvenz insbesondere dann vor, wenn eine Gesellschaft zahlungsunfähig ist.
Zahlungsunfähigkeit, § 17 Inso
In § 17 der Insolvenzordnung (kurz InsO) ist dieser Begriff gesetzlich definiert. Hiernach liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn ein Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen- es kommt also nur auf fällige Geldschulden an.
Nicht erfüllt ist der Tatbestand dann, wenn beispielsweise andere Verpflichtungen nicht erfüllt werden können, eine bloße Zahlungsstockung vorliegt oder Geldschulden nicht ernsthaft eingefordert werden, also nicht fällig sind.
Überschuldung, § 19 Inso
Dieser Begriff wird in § 19 InsO legal definiert. Hiernach liegt Überschuldung (verkürzt gesagt) dann vor, wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt; es sei denn, dass die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.
Man spricht wegen dem letzten Halbsatz auch von einer zweistufigen Prüfungsreihenfolge der Überschuldung:
- Rechnerische Überschuldung zu Liquidationswerten
- Bestehen einer positiven Fortführungsprognose
Die Kriterien für eine Einschätzung einer Fortführungsprognse können folgende sein:
POSITIVE FORTFÜHRUNGSPROGNOSE
+ bei Gewinnen in der Vergangenheit
+ zu erwartendes positives Ergebnis im laufenden Geschäftsjahr + Fortführungswille des Inhabers + Vorhandensein von sog. stillen Reserven + positive Liquiditätsentwicklung + gute Qualität eines Sanierungskonzeptes |
– bei Verlusten in der Vergangenheit
– zu erwartendes negatives Ergebnis im laufenden Geschäftsjahr – Vertrauensentzug von Lieferanten – Zahlungsverzögerungen – Auslaufen entscheidender Patente |
PRAXISHINWEIS:
Soweit eine Überschuldung besteht und ein Insolvenzantrag aufgrund einer positiven Fortführungsprognose NICHT gestellt wird, ist besonders darauf zu achten, dass sämtliche Schritte zur Ermittlung der Prognose zu dokumentieren sind. Hierbei sind oftmals Gutachten von unabhängigen dritten Personen nützlich; insbesondere dann, wenn ein späterer Verlauf dann doch negativ ist und eine vorherige Bejahung einer positiven Fortführungsprognose im Nachhinein als unrealistich dargestellt wird.
Insoweit gilt nämlich noch immer die Warnung von Mark Twain:
„Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“
Das wollen jedoch aller leidigen Erfahrung nach manche Insolvenzverwalter, Staatsanwälte oder Strafrichter nicht wahr haben, weshalb die Dokumentation der Entscheidungsgrundlage sehr wichtig ist!
Wenn nun die positiven Voraussetzungen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen und kein Ausnahmetatbestand besteht, hat ein Geschäftsführer (im Falle der Führungslosigkeit auch ein Gesellschafter) die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen! Entgegen der landläufigen Meinung hat man hierfür keine 3 Wochen Zeit; vielmehr ist ein Insolvenzantrag nach § 15a InsO stets „ohne schuldhaftes Zögern“ einzureichen. Der Geschäftsführer kann sich nur dann bis zu drei Wochen Zeit nehmen, wenn in dieser Zeit außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen geprüft und durchgeführt werden. Die Notbremse muss jedoch auch dann spätestens nach 3 Wochen gezogen werden, wenn zu diesem Zeitpunkt die Sanierungsverhandlungen erfolgreich enden können.
Einen erfolgreichen Sanierungsplan gab es auch im Falle Kettler, so dass das Unternehmen sein Insolvenzverfahren in Eigenregie beenden kann und der Betrieb fortgeführt wird. Die Geschäftsführerin wird derweil jedoch auf einen zweistelligen Millionenbetrag in Haftung genommen…
Sind Sie Geschäftsführer eines Unternehmens in der Krise oder haben bereits ein Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung laufen, können Sie sich jederzeit vertrauensvoll an mich wenden. Mit meiner Expertise als Fachanwalt für Gesellschaftsrecht und Fachanwalt für Steuerrecht, verteidige ich meine Mandanten mit großem Eifer in Wirtschaftsstrafsachen – Verfahren in denen am Ende dann glücklicherweise doch nicht immer nur die nackten Zahlen entscheidend sind!
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