Im Falle der Insolvenz drohen dem Firmenchef gravierende zivil- und sogar strafrechtliche Konsequenzen – wenn er nicht alles richtig macht. Das GmbH-Gesetz (GmbHG) sieht in seinen §§ 64 und 84 vor, dass ein Geschäftsführer spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anmelden muss. Eine Frist, die jedoch in aller Regel überschritten wird: Dem Prinzip Hoffnung folgend missachten Geschäftsführer sehr oft die deutliche Sprache der Zahlen und gehen erst zum Insolvenzrichter, wenn alle Kassen leer sind. Es ist jedoch sehr gefährlich, mit der Einreichung eines Insolvenzantrages zu lange zu warten.
In der Haftungsfalle
In einer wirtschaftlichen Krise, zumal in der „Liquiditätskrise“, sieht sich der Geschäftsführer mit dem schlichten, aber schwerwiegenden Problem konfrontiert, dass die ihm zur Verfügung stehenden liquiden Mittel nicht mehr zur Begleichung laufender Verbindlichkeiten ausreichen. Jedoch kann sich der Geschäftsführer gemäß § 266a Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen, wenn er Beiträge nicht an die zuständigen Sozialversicherungsträger abführt. Allein deshalb wird der Geschäftsführer immer versuchen, zumindest diese Beiträge zu zahlen. Sonst droht ihm zusätzlich die Gefahr, dass er Beiträge aus der eigenen Tasche zahlen muss. Denn die zuständige Krankenkasse kann den Geschäftsführer persönlich in Anspruch nehmen und ihm gegenüber eine Schadensersatzforderung geltend machen (§ 266a StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB).
Ähnliches gilt im Hinblick auf die fälligen Steuerverpflichtungen. Dabei droht ganz besonders bei der Nichtzahlung von Lohnsteuern, jedoch auch bei der Nichtzahlung von Umsatz-, Körperschafts- oder Gewerbesteuern die persönliche Haftung des Geschäftsführers (§§ 34, 69 Abgabenordnung AO).
Entweder alle oder keiner
Begleicht der Geschäftsführer jedoch irgendwelche Forderungen zu einem Zeitpunkt, an dem sein Unternehmen bereits insolvent ist, gerät der Geschäftsführer in eine zusätzliche Haftungsfalle. Wobei es vollkommen unerheblich ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Insolvenz angemeldet war oder nicht. Entscheidend ist, ob die Zahlungsunfähigkeit und/oder die Überschuldung faktisch eingetreten war oder nicht. Das deutsche Insolvenzrecht verlangt, dass alle Gläubiger gleich behandelt werden. Und so ist es dem Geschäftsführer einer insolventen GmbH gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG gar nicht mehr erlaubt, einzelne Gläubiger zu befriedigen. Tut er es doch, kann er (gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG) persönlich zur Erstattung dieser Zahlungen an den Insolvenzverwalter verpflichtet werden, da die Befriedigungsaussichten der übrigen Gläubiger in Höhe dieser Zahlungen geschmälert wurden. Zudem ist es sogar strafbar, einem Gläubiger in der wirtschaftlichen Krise der GmbH eine Leistung zu gewähren, die dieser nicht, nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte (vgl. § 283c StGB).
Natürlich gerät der Geschäftsführer durch diese verschiedenen Haftungsrisiken in ein schier unauflösbares Dilemma. Zahlt er nicht, macht er sich strafbar und muss u.U. haften. Zahlt er doch – obwohl das Unternehmen faktisch bereits insolvent ist –, muss er ebenfalls haften. Dieses Dilemma kann der Geschäftsführer im Regelfall nur auflösen, indem er sofort (spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung) einen Insolvenzantrag einreicht, so dass er gar nicht erst in Verlegenheit gerät, sich „zwischen den Verboten“ entscheiden zu müssen.
Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer zum Zeitpunkt der verbotswidrigen Zahlung die wirtschaftliche Krise hätte erkennen können, reicht für eine Schadensersatzverpflichtung aus. Eine positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung ist nicht erforderlich. Der Geschäftsführer kann sich seiner Schadensersatzpflicht auch nicht mit dem Argument entziehen, es habe noch keine aktuelle Bilanz vorgelegen, so dass er die wirtschaftliche Krise nicht habe erkennen können. Ein Geschäftsführer muss deshalb laufend über die wirtschaftliche Entwicklung der von ihm vertretenen GmbH im Bilde sein. Dieselben Anforderungen an eine Kenntnis bzw. ein „Kennenmüssen“ gelten für eine Strafbarkeit gemäß § 84 Abs. 1 GmbHG (vorsätzlich verspäteter Insolvenzantrag) und § 84 Abs. 2 GmbHG (fahrlässig verspäteter Insolvenzantrag). Eine Ausnahme von der Schadensersatzpflicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG gilt ausschließlich für Zahlungen, die „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“ vereinbar sind; solche Zahlungen sind jedoch auf enge Ausnahmefälle begrenzt.
Als Faustregel kann man sich merken, dass in jedem Fall sämtliche Zahlungen auf ältere Verbindlichkeiten (älter als ca. zwei Wochen) zu einer Schadensersatzpflicht führen. Der Geschäftsführer kann sein Amt in dieser Zeit auch nicht niederlegen und sich dadurch der Verantwortung entziehen, da eine Amtsniederlegung zur so genannten Unzeit nicht erlaubt ist. Übrigens: Vorstandsmitgliedern sonstiger juristischer Personen (Aktiengesellschaften, Vereine, Genossenschaften etc.) drohen ganz ähnliche Konsequenzen.
Weitere Konsequenzen
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass den Geschäftsführer bei einem verspäteten Insolvenzantrag weitere zivil- und strafrechtliche Konsequenzen erwarten. Die Insolvenzstraftaten gemäß §§ 283 ff. StGB (insbesondere bei „Vermögensverschiebungen“ und die Verletzung von Buchführungs- und steuerlichen Pflichten) sind nur zwei Beispiele.
Zusätzlich kann sich ein Geschäftsführer gemäß § 263 StGB wegen Betrug strafbar machen: Etwa dann, wenn einem Lieferanten oder Dienstleister die Zahlung zugesichert wird, obwohl der Geschäftsführer in diesem Zeitpunkt bereits „billigend in Kauf nimmt“, dass sein Unternehmen die Lieferung oder Dienstleistung niemals bezahlen können wird. Steht die Strafbarkeit des Betruges fest, so droht gleichzeitig die zivilrechtliche Haftung gegenüber dem Lieferanten bzw. Dienstleister (§ 263 StGB i.V.m. § 823 BGB). Doch damit nicht genug: Vor dem Eintritt bzw. der Eskalation der wirtschaftlichen Krise macht sich der Geschäftsführer schon dann strafbar, wenn er seinen Gesellschaftern nicht anzeigt, dass ein Verlust in Höhe des hälftigen Stammkapitals eingetreten ist (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG).
Die tägliche Praxis zeigt, dass den betroffenen Geschäftsführern häufig nicht bekannt ist, welche Haftungsgefahren im Einzelnen drohen. Allein deshalb ist die rechtzeitige Beantragung eines Insolvenzverfahrens das „A und O“ für den Geschäftsführer, um Schaden von sich und den Gläubigern fernzuhalten. Dabei verfügt ein Geschäftsführer über nicht geringe Handlungsspielräume. Das gilt vor allem für den Zeitpunkt, in dem Insolvenz angemeldet wird. Der Geschäftsführer muss
damit nicht etwa bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung warten. Die Insolvenzordnung sieht nämlich vor, dass bereits bei „drohender Zahlungsunfähigkeit“ ein Insolvenzantrag eingereicht werden kann. Ziel dieser noch recht neuen, aber zu wenig genutzten Bestimmung ist es, einem Unternehmen die rechtzeitige Sanierung zu ermöglichen.
Für den Fall einer Insolvenzanmeldung bei drohender Zahlungsunfähigkeit sieht das Gesetz eine ganze Reihe von Sanierungsinstrumenten vor. Zum einen handelt es sich um den so genannten Insolvenzplan. Im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens wird der insolvente Rechtsträger (die GmbH) nach einer einvernehmlichen Einigung mit seinen Gläubigern saniert. Dabei muss grundsätzlich nur darauf acht gegeben werden, dass die Gläubiger eine bessere Befriedigung erhalten, als sie bei einer Zerschlagung bzw. Liquidation erhielten.
Darüber hinaus besteht die – in der Praxis weit verbreitete – Möglichkeit der so genannten „übertragenden Sanierung“. Bei einer übertragenden Sanierung wird das Betriebsvermögen (z. B. Sachanlagevermögen und Warenvorräte) vom Insolvenzverwalter an eine Auffanggesellschaft veräußert. Diese kann sodann neue oder alte Mitarbeiter einstellen und die für sie erforderlichen Verträge (Miet-, Leasing- sowie sonstige Dienstleistungsverträge) abschließen. Für die alten Schulden der GmbH haftet die neue Auffanggesellschaft nicht.
Es besteht allerdings das Risiko der Betriebserwerberhaftung (gemäß § 613a BGB): Danach können die ehemaligen – nicht mehr benötigten – Mitarbeiter der insolventen GmbH ihren Weiterbeschäftigungsanspruch gegen die Auffanggesellschaft geltend machen. In der Insolvenz ist diese Haftung jedoch insoweit abgemildert, als niemals für die Zahlungsansprüche der Mitarbeiter aus dem Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehaftet werden muss.
RA Dr. Markus Wischemeyer
WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08/2005, Seite 24