Audiovisuelle Aufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren
Seit dem 01.01.2020 ist gemäß § 136 Abs. 4 StPO die Vernehmung des Beschuldigten aufzuzeichnen, wenn dem Verfahren ein vorsätzliches Tötungsdelikt zugrunde liegt. Bisher war eine Ton-Bild-Aufzeichnung bei der Vernehmung möglich, jedoch nicht gängige Praxis. Mit der Gesetzesanpassung an den Stand der aktuellen Technik werden die Ermittlungsbehörden dazu verpflichtet.
Die Ton-Bild-Aufzeichnung des Beschuldigten stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Zugunsten einer effizienten Rechtsverfolgung und einer möglichst allumfassenden Wahrheitsfindung überwiegt hier das staatliche Interesse und legitimiert die eventuelle Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Beschuldigten.
Ziel der Gesetzesänderung
Die neue Gesetzeslage soll die Strafverfolgung und Wahrheitsfindung verbessern.
Im Gegensatz zu den vorher vorherrschenden Ermittlungsprotokollen kann eine audiovisuelle Aufzeichnung nicht unter dem subjektiven Eindruck des protokollführenden Beamten stehen und die Vernehmung wird somit authentisch wiedergegeben.
So kann auch im Nachhinein die Ton-Bild-Aufzeichnung auf bestimmte Kriterien hin analysiert werden (Bsp. : Körpersprache, Körperhaltung, Reaktion auf bestimmte Fragen/Vorwürfe).
Somit kann die Aufzeichnung nicht nur zur Verbesserung der Wahrheitsfindung dienen, sondern schützt den Beschuldigten besser als zuvor vor unlauteren Vernehmungsmethoden, da dass Vorgehen der Ermittlungsbehörden ebenfalls aufgezeichnet wird. Im Hauptverfahren können dem Beschuldigten getätigte Aussagen besser vorgeworfen werden und entlasten Ihn auch bei so nicht getätigten, jedoch vorgeworfenen Aussagen.
Wann besteht Aufzeichnungspflicht
Die Vernehmung kann grundsätzlich immer aufgezeichnet werden. Sie muss zwingend aufgezeichnet werden, wenn:
- dem Verfahren ein vorsätzliches Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen, oder
- die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten, insbesondere die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, geschützt werden können, oder 3) bei Personen unter 18 Jahren
Bedingungen für eine audiovisuelle Aufzeichnung
Für eine zulässige audiovisuelle Aufzeichnung muss es sich um eine Vernehmung im engeren Sinne handeln, bloße informatorische Anhörungen sind hiervon ausgeschlossen. Die Aufzeichnung wird ohne Einverständnis des Beschuldigten durchgeführt, kann jedoch durch Verweigerung der Aussage vermieden werden.
Die Mindeststandards für die Ton-Bild-Aufzeichnung sind in der Gesetzesbegründung zu finden. Die Aufzeichnung soll den gesamten Verlauf der Vernehmung wiedergeben. Vorgespräche sollen in der Aufzeichnung von den Vernehmungsbeamten erwähnt werden und der Beschuldigte hat zum Abschluss der Vernehmung zu erklären, dass die Vernehmung vollständig und richtig wiedergegeben wird.
Audiovisuelle Aufzeichnung in der Hauptverhandlung
Die audiovisuelle Aufzeichnung ist kein Ersatz für die Vernehmung in der Hauptverhandlung! Die Aufzeichnung ist wie das vorher gehandhabte Vernehmungsprotokoll in der Hauptverhandlung anzusehen. Statt der Verlesung des Protokolls wird nun die audiovisuelle Aufzeichnung verwendet.
Folgen des Fehlens einer audiovisuellen Aufzeichnung
Fehlt die audiovisuelle Aufzeichnung aus der Ermittlungsvernehmung, bedeutet dies noch nicht, dass die Vernehmungsförmlichkeiten nicht eingehalten worden sind. Dass Fehlen der Videoaufzeichnung führt nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage des Beschuldigten. Dies bedeutet in der Praxis keine Konsequenzen. Lediglich, wenn die Aufzeichnung bewusst unterlassen wurde, führt dies zu einer Unverwertbarkeit der Aussage des Beschuldigten in der Vernehmung.
Eine hierzu richtungsweisende Rechtsprechung bleibt abzuwarten.